Susanne Breit-Keßler: Zehn Gebote für die Ehe

Erst und nur die Liebe ermöglicht Leben. Sie ist kostbare Gottesgabe, die angenommen und gepflegt sein will. In Anlehnung an die vertrauten Zehn Gebote will ich ein paar Gedanken für die Ehe formulieren: 

1. Der Partner, die Partnerin – sie sind nicht Gott, sind nicht vollkommen. Sie sind nicht dazu da, einen zu erlösen von allen Übeln. Wer an Gott glaubt und sich von ihm ewige Zuwendung erhofft, kann seinen Mann, seine Frau entlasten vom Terror der totalen Verantwortung für das ganze eigene und gemeinsame Leben. Die Endlichkeit zeigt sich halt auch im begrenzten Glück. Wir müssen uns einüben in die Freude am halb Gelungenen.

2. Keine unnützen Namen. Verbannen Sie alle gehässigen Worte aus Ihrem Repertoire. Es gibt Dinge, die sagt man einfach nicht zueinander – denn wenn sie einmal ausgesprochen sind, können sie nicht mehr zurückgeholt werden. Pflegen Sie Ihre Kosenamen. Rufen Sie sich zärtlich beim Taufnamen, wie Gott es mit uns auch tut. Und erfinden Sie immer mal wieder neue Koseworte füreinander. Das zaubert ein Lächeln aufs Gesicht.

3. Achten Sie die Eltern, die Familie des anderen – sie sind seine Geschichte im Guten wie im Schweren. Respektieren Sie die Biographie Ihres Mannes, Ihrer Frau – haben Sie ein offenes Ohr dafür, wie und warum er, sie im Lauf der Jahre geworden ist. Erzählen Sie sich gegenseitig Geschichten aus Ihrer Kindheit und Jugend, alte und noch nie mitgeteilte. Sie lernen sich darüber kennen. Aber – niemand muss alles über den anderen wissen…

4. Fügen Sie dem anderen kein Leid zu – auch nicht so, dass Sie wie Kaufleute aufrechnen, einander buchhalterisch vorhalten, was sie alles füreinander gemacht haben und was sie dafür erwarten. Ehe ist kein Tauschgeschäft. Sinnieren Sie lieber darüber nach, am Morgen oder Abend, Wochenende, an Feiertagen, womit sie den oder die andere erfreuen könnten. Liebe schenkt – ohne Kalkül, nur mit dem Ziel, den anderen glücklich, selig zu machen.

5. Die Kirschen in Nachbars Garten sind süßer als die eigenen. Gegen Versuchungen hilft, die eigene Erotik und Sexualität miteinander phantasievoll und zärtlich zu pflegen, sich lustvoll zu überraschen. Aber ohne zu meinen, dass nur wahre Ekstase beglückt und befriedigt. Neben den großen Momenten ist auch hingebungsvolles Kuscheln, „Fußeln“ unter dem Tisch oder ein Kuss im Mondschein dazu angetan, die Liebe wach zu halten.  

6. Stehlen Sie dem Partner, der Partnerin nicht ihr eigenes Leben. Es gibt sie und ihn nicht nur als Paar, sondern auch als eigenständige Persönlichkeit. Sie hat Freundinnen, er Hobbies – warum nicht? Es tut gut, sich für kurze Zeit voneinander zu trennen, um bereichert, erfüllt wieder zueinander zurückzukehren, sich zu erzählen und auszutauschen. „Die Liebe ist ein Kind der Freiheit“ sagt ein altes französisches Lied. Und Sehnsucht nacheinander beflügelt.  

7. Nicht falsch Zeugnis reden … Schrecklich, wenn Frauen oder Männer bei anderen über Partner und Partnerinnen herziehen. Natürlich ist sachliche Kritik an einem Menschen möglich, auch wenn er oder sie einmal nicht dabei ist. Aber das heißt nicht mit Dreck zu schleudern, Gift zu verspritzen, sondern liebevoll jeden guten Gedanken aufzuheben, der einem in den Sinn kommt und ihn zart wie eine Feder mitten ins Gespräch schweben zu lassen…

8. Wir sollen nicht haben wollen, was dem anderen gehört. Seine Gaben, ihre Charismen, sein Erfolg, ihre Chancen – freuen wir uns darüber und werden wir nicht neidisch. Denn ist es nicht ein unfassbares Wunder, dass sie mit ihrem scharfen Verstand, er mit seiner Güte und Herzenswärme, dass sie mit ihrem Charme und er mit der großen Anerkennung, die ihm zuteil wird unsere, ja, unser Partner, unsere Partnerin ist? Wir sind echte Glückspilze! 

9. Schließlich sollen wir anderen nichts abspenstig machen. Es ist schön, eben nicht auf andere zu schielen, die es vermeintlich oder tatsächlich besser haben, sondern gemeinsam eigene Lebensphantasien zu entwickeln, Pläne zu schmieden und miteinander etwas dafür zu tun, dass die eigene Partnerschaft und Ehe zum Segen für andere wird. Es ist beflügelnd, wenn man im Haus der Ehe Fenster und Türen öffnet, Gäste einlädt und selber hinausgeht in die Welt.

10. Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN (Hoheslied 8,6) sagt die Bibel. Mögen unsere Herzensbande fest sein wie ein Siegel, aber reiches Spiel haben, damit wir uns in unseren Partnerschaften entfalten können. Unsere Liebe möge standhalten, für uns selbst und andere ein Segen sein. 

Regionalbischöfin i.R. Susanne BreitKeßler, München, Vorsitzende Bayerischer Ethikrat