Idee zu einem Katechismus der Vernunft für edle Frauen
Von Friedrich Daniel Schleiermacher
- Du sollst keinen Geliebten haben neben ihm; aber du sollst Freundin sein können, ohne in das Kolorit der Liebe zu spielen und zu kokettieren oder anzubeten.
- Du sollst dir kein Ideal machen weder eines Engels im Himmel, noch eines Helden aus einem Gedicht oder Roman, noch eines selbst- getraumten oder phantasierten; sondern du sollst einen Mann lieben, wie er ist. Denn sie, die Natur, deine Herrin, ist eine strenge Gottheit, welche die Schwärmerei der Mädchen heimsucht an den Frauen bis ins dritte und vierte Zeitalter ihrer Gefühle.
- Du sollst von den Heiligtümern der Liebe auch nicht das kleinste mißbrauchen; denn die wird ihr zartes Gefühl verlieren, die ihre Gunst entweiht und sich hingibt für Geschenke und Gaben, oder um nur in Ruhe und Frieden Mutter zu werden.
- Merke auf den Sabbath deines Herzens, daß du ihn feierst, und wenn sie dich halten, so mache dich frei oder gehe zu Grunde.
- Ehre die Eigentümlichkeiten und die Willkür deiner Kinder, auf daß es ihnen wohlgehe und sie kräftig leben auf Erden.
- Du sollst nicht absichtlich lebendig machen.
- Du sollst keine Ehe schließen, die gebrochen werden muß.
- Du sollst nicht geliebt sein wollen, wo du nicht liebst.
- Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen für die Männer, du sollst ihre Barbarei nicht beschönigen mit Worten und Werken.
- Laß dich gelüsten nach der Männer Bildung, Kunst, Weisheit und Ehre.
Quelle: Heinz Bolli (Hrsg.), Schleiermacher-Auswahl, Nachwort von Karl Barth, München-Hamburg: Siebenstern, 1968, S. 274