Vom rechten Gottesdienst wider die Herodisten (Weihnachtspostille, 1522)
Von Martin Luther
Keinen bessern Unterschied kann man hierin haben als Gottes Wort: welcher Gottesdienst darin gelehrt wird, der muß freilich der rechte Gottesdienst sein; welcher aber neben und außerhalb Gottes Wort aufgerichtet ist, durch Menschen erfunden, der muß bestimmt der falsche, scheinbar glänzende Herodesdienst sein. Nun ist Gottes Dienst nirgendwo als in seinen Geboten verfaßt. Denn ohne Zweifel dient der allein Gott, der seine Gebote hält; gleichwie ein Knecht im Hause so genannt wird, damit er seinem Herrn diene (und richtig handelt), wenn er tut und wahrnimmt, was ihm sein Herr aufträgt. Wenn er das aber nicht tut, heißt es doch nicht seinem Herrn dienen, wenn er sonst (auch) der ganzen Stadt Willen täte. Also: wer Gottes Gebot nicht tut, dient nicht Gott, wenn er gleich aller Menschen Lehre und Gebot hielte.
So besteht nun Gottes Dienst darin, daß du Gott erkennest, ihn ehrest, liebest aus ganzem Herzen, alle deine Treu und Zuversicht auf ihn setzest, an seiner Güte nimmer zweifelst, weder im Leben noch Sterben, weder in Sünden noch Rechttun, wie das erste Gebot lehrt. Zu dem können wir allein durch Christi Verdienst und Blut gelangen, der uns solches Herz erworben hat und gibt, wenn wir sein Wort hören und glauben. Die Natur kann ein solches Herz nicht von sich selbst haben. Siehe, das ist der Hauptgottesdienst und das höchste Stück, den wir einen aufrichtigen christlichen Glauben und Liebe zu Gott durch Christus nennen. So wird das erste Gebot von uns durch Christi Blut erfüllt und Gott recht und wahr gedient.
Zum zweiten: wenn du Gottes Namen ehrst, denselben in Nöten anrufst und ihn öffentlich vor den Tyrannen und Verfolgern dieses rechten Gottesdienstes bekennst, sie nicht fürchtest, die Herodisten strafst und ihnen wehrst so viel du vermagst, daß sie Gottes Namen nicht mit ihrem falschen Wesen und Lehren verunehren, das sie unter dem Namen Gottes vortragen, was eine sehr große Sache ist und (womit man) die Welt auf sich lädt. Siehe, das ist das zweite Stück des Gottesdienstes, im zweiten Gebot enthalten.
Zum dritten: wenn du das heilige Kreuz trägst und mußt viel um solchen Glaubens und Bekenntnisses willen leiden, so daß du Leib und Leben, Gut und Ehre, Freund und Gunst daran setzen mußt, das heißt recht gefeiert und den Sabbat geheiligt, da nicht du selbst, sondern Gott allein in dir wirkt, und du nur ein leidender, verfolgter Mensch bist. Das ist das dritte Stück des Gottesdienstes, im dritten Gebot zusammengefaßt. Siehe, das ist die erste Tafel mit den ersten drei Geboten, welche in die drei Stücke inbegriffen werden: Glauben, Bekennen und Leiden; dadurch wird diesem Leben und der Welt entsagt und allein Gott gelebt.
Zum vierten – damit kommen wir in die zweite Tafel – dienst du Gott besonders, wenn du Vater und Mutter ehrst, ihnen untertänig und gehorsam bist, ihnen hilfst, wo sie es bedürfen, vor allen Menschen auf Erden.
Zum fünften: daß du niemand am Leibe Schaden tust, sondern jedermann wohl tust, auch deinen Feinden, die Kranken und Gefangenen besuchst und allen Bedürftigen deine Hand reichst, für alle Menschen ein gutes, freundliches Herz hast.
Zum sechsten: daß du keusch und mäßig lebst, oder ja deine Ehe recht hältst und andern halten hilfst.
Zum siebenten: daß du niemand betrügst noch schädigst, noch in zeitlichem Gut übervorteilst, sondern jedermann leihst, gibst, wechselst, wo du vermagst, und deines Nächsten Schaden verhütest.
Zum achten: daß du deine Zunge hütest, niemand schändest, ins Gerede bringst, belügst; sondern jedermann deckst, entschuldigst und verschonst.
Zum neunten und zehnten: daß du niemandes Weib noch Gut begehrst.
Siehe, das sind die Stücke göttlichen grundguten Dienstes, den fordert er von dir und sonst keinen; was du darüber hinaus tust, das achtet er nicht. Er ist auch klar und leicht genug bei jedermann zu verstehen. Nun siehst du, daß der rechte Gottesdienst für alle Stände, alle Menschen gilt, und nur dieser einzige in Gottes Volk gefunden werden darf. Und wo ein anderer Gottesdienst gefunden wird, der muß bestimmt falsch und verführerisch sein; wie der es ist, der nicht allgemein sein will, sondern sich auf etliche besondere Stände und Menschen beschränkt. Das sei von dem rechten allgemeinen, einzigen Gottesdienst gesagt.
Aus der Weihnachtspostille von 1522 zum Evangelium am Tag der heiligen drei Könige, Matthäus 2,1-12.
WA 10, I, 1, 674–677, übertragen von Kurt Aland.